Fotografien aus fahrenden Zügen, Motive wie aus dem Augenwinkel, Motive die einen den Kopf drehen lassen
Aus der Laudatio von Stephanie Knoblich anlässlich der Ausstellungseröffnung im Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn (Am besten laut lesen…) :
Räder, Schienen, Weichen,
Signale, Bahnsteige, Masten, im Schnee
Menschen, die hasten,
Bahnhöfe, Einfahrt, ICEEEEE,
Züge, Abteile, Gleise –
Überlassen wir uns dem Bild der Reise
Irgendwo ist auch immer nirgendwo
Nirgendwo unweigerlich – irgendwo
Da sitzt ein Mann im Zug.
Vielleicht gehetzt vom Alltag.
Vielleicht entspannt ihn der Blick nach draußen. Vielleicht langweilt er sich. Ziellos im Kopf. Vielleicht verträumt er sich in die vorbeigleitenden Orte, Landschaften, Bahnhöfe, die mit zunehmendem Tempo zu Streifen verschwimmen. Architekturen Bäume , Menschen – konkrete Formen lösen sich in Schemen auf. Die Geschwindigkeit überfordert das Auge, das keinen Halt mehr findet. In der Schnelle wird die konkrete Welt abstrakt.
Im Zuge dieses Reisens wächst der Wunsch, diese Bilder, die noch nicht einmal bis in unsere Erinnerung sinken, festzuhalten. Die Kamera ist immer dabei.
Der Wunsch wird zur Obsession. Und schon:
Thomas ist Tollheit
Thomas ist kühn
Will er doch dem Vorüberziehen
In höchster Geschwindigkeit
Bilder entreißen
Will heißen
Und das ist fast zum Lachen
Bewegung in der Starre sichtbar machen
Festhalten, was das Auge noch nicht einmal erfasst.
Der Rausch der Geschwindigkeit wird zum linearen Spiel von Dunstschichten, in denen sich die reale Form auflöst. Ein Fest des Sfumato, das sich von der Renaissance bis zu Richter über die reale Welt legt.
Der fest Umriß wird in Schleier gezogen, die das Dokumentarische unwichtig machen. Nein, nicht ganz. Denn jetzt im Foto stellt sich die Frage nach dem Ursprung der Schemen. Ist es ein Haus? Ein Schild? Ein Mensch? Ein Mensch der vielleicht selber schreitet. Möglicherweise sogar in die Gegenrichtung… Linsenpinsel
Chercher l’homme…. Objet trouvé?
Spätestens jetzt gerät der Betrachter in den Sog der Fragen. In den Sog der großen Fragen. Fragen nach der Geschwindigkeit, nach der Zeit.
Das ist das Verstörende an diesen Fotos, möchte man sie doch eigentlich nur in Ruhe betrachten. Ihre hingehauchte Schönheit.
Die Schönheit von Farben, die einen anwehen – scheinbar gegenstandslos in die Luft entlassen. Farben, die die in mehreren Ebenen übereinander schweben.
Abgleiten in den ästhetischen Blick?
Nein, das lassen die Fotos von Thomas Riedel nicht zu.Sie platzieren sich zwischen der Romantik eines William Turner und naturwissenschaftlicher Fotografie.
Provozieren. Neugierde – diese kleine Unruhe des suchenden Auges, das doch die feste Linie, den Umriss, benennen will.
Ein Bein, ein Schuh – ein Kick für das gedankliche Spiel
Es ist nicht viel,
das wir erkennen.
Mensch Riedel, dieses Rasen
eröffnet uns eine Welt,
die keine feste Linie zusammenhält.
Aber da ist das Format
meist das Quadrat,
das die Licht/Schimmer/Bahnen
eingefangen hat.
Und es bleibt nur ein Ahnen,
dass, was wir sich in Schemen auflösen sehen,
ein Mensch ist – im Gehen.
Durch die Scheibe gesehen,
Nur belichtet, nicht gefärbt.
L’homme qui marche
Was für ein Kunstgriff, wo einem der Rausch der Geschwindigkeit den Atem nehmen kann.
Thomas ist Tollheit
Thomas ist kühn
Will er doch dem Vorüberziehen
In höchster Geschwindigkeit
Bilder entreißen,
nur belichtet, nicht retuschiert,
Will heißen
Riedel, der Romantiker, ist Realist,
uns die Welt so zu zeigen,
wie sie ist!